Hallo ihre Lieben,

Heute würde ich euch gerne ein wenig von meinem Zwischenseminar berichten:

Letzten am 18. Januar haben wir uns auf den Weg gemacht, circa 19 Stunden waren wir mit Zügen unterwegs und hatten mal wieder sehr interessante Erlebnisse! U. a. ein Mann im Zug der meinte er habe Rückenbeschwerden und brauche dafür eine komplette Bank, wobei wir uns alle einige waren, dass er wahrscheinlich einfach nur zu viel gegessen hatte und gerne ein wenig Platz für seinen beträchtlichen Bauchumfang hätte. Weiterhin wurden im Zug mal wieder Socken, Schmuck und ähnliches geboten und auch das typische „CHAI, CHAI, CHAI“ Gebell um 5 Uhr morgens blieb uns natürlich nicht aus…. Hier wird mir einfach immer wieder bestätigt, der Mensch ist ein Gewohnheitstier und somit habe auch ich mich an dieses amüsierende Chaos weitgehend gewöhnt.

Am frühen Sonntagmorgen kamen wir dann auch an und ich freute mich mal wieder Toast mit Peanutbutter zu essen. So langsam über den Tag verteilt trudelten dann alle Mitfreiwilligen aus dem ganzen Lande ein und damit meine ich teilweise sogar 36h Stunden Anfahrten. Ich habe mich super gefreut mehr oder weniger bekannte Gesichter vom Vorbereitungsseminar wieder zu sehen und sich ordentlich auszutauschen! Auch ganz typisch waren die Wetterempfindungen: Wir alle aus dem Norden so, achhhhhhh ist es schön warm. Alle aus dem Süden, boahhh ist es kalt hier. Jup, 37 Grad Tagestemperatur und 15 Grad Tagestemperatur (Wintersaison) sind natürlich ein ordentlicher Unterschied.

Nun zu den Inhalten des Seminars:

Da wir alle einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst machen, geht es bei uns ganz stark um Reflexion. Wie wirkt sich die Arbeit auf unser Umfeld aus? Welche kulturellen Unterschiede können wir ausmachen? Erfahrungen mit Konflikten und und und und. Wir stellten uns gegenseitig unsere Projekte vor und Erfahrungen die wir gemacht haben und wie wir damit umgehen, bzw. planen umzugehen. Ich meinerseits hadere noch immer mit den Disziplinarmethoden an unserer Schule. Der sogenannte „stick“ kommt zum Einsatz und ich wurde schon mehrere Male dazu aufgefordert, davon ebenfalls Gebrauch zu machen. Wenn ich so etwas erzähle möchte ich nicht stigmatisieren, sagen „öh, wie rückschrittlich“, sondern ansprechen, was mich beschäftigt. Laut UN-Richtlinien ist aber explizit niedergeschrieben, dass es für Gewalt keine Entschuldigung gibt.

Kinderschutz – Gewalt an Kindern:  

Einer der Vorträge über „child protection“ hat mich jedoch besonders gepackt, Ruby Nakka, der Organisationschef von der Organisation „Hope house“ in der Nähe von Vellore, hat sich drei Stunden für uns Zeit genommen, um uns ein wenig Einsicht in die, ja, traurige Realität zu geben, aber auch Lösungsansätze und Veränderungen bezüglich Kindermisshandlung aufzuzeigen. Ich möchte diesen Teil des Blogs so objektiv, wie möglich halten, wobei das natürlich immer so eine Sache ist. Deshalb bitte ich euch einfach ein wenig großzügig zu sein und bei Fragen via Kontaktformular z.b. auf mich zurück zukommen.

Erst mal zu den Grundrechten von Kindern: Sie müssen überleben, sich entwickeln, teilhaben und beschützt werden. Die Realität sieht jedoch anders aus: die Regierung Indien’s hat eine Studie veröffentlich, wonach 53,22% aller Kinder schon einmal oder mehrere Male sexuell missbraucht wurden. 50% der Missbraucher waren Menschen aus ihrem direkten Umfeld, also Familie, Freunde oder Verantwortliche und Vertrauenswürdige, wie zum Beispiel Lehrer, Instanzen wie Polizei oder Coaches. Die Mehrheit der Kinder meldet diese Fälle nicht.

Kinderschutz ist jedoch der Zustand, der bestehen soll, dass Gewalt, Missbräuche und Ausbeute verhindert, jedoch auch angesprochen werden. 2015 hat die UN die sogenannten „17 Sustainable Development Goals“, die im Zuge der Agenda 2013 umgesetzt werden sollen, festgelegt. Dazu gehören auch die Ziele:

3# Gute Gesundheit&Wohlbefinden,

4# Qualitätsbildung,

10# reduzierte Diskriminierung,

16# Frieden, Gerechtigkeit und starke Institution.

All diese Ziele haben mit Kinderschutz zu tun und auch Indien gehört zur UN, Ziel Nummer 17 ist aber auch Partnerschaft, um diese Ziele zu erreichen, das heißt wir sitzen alle im selben Boot, bzw. wir alle teilen eine Erde und müssen uns gegenseitig helfen! Das sollte einem zumindest bewusst sein.

Gewaltpotential: Potentiellen Gewalttaten, die von außen, von anderen, an Kindern verübt werden, sind: Sexueller Missbrauch, Gewalt, Kinderarbeit, Kinderheirat, Kinderhandel, Kindersoldatenausbildung, Kindermorde, Fötusmorde. Fehlend gute Ernährung, psychische Gesundheit, Selbstverletzung, Drogenmissbrauch und die sexuelle Gesundheit sind Faktoren, die ebenfalls zum Kinderschutz bzw. fehlenden Kinderschutz gehören, die aber v.a. im Jugendalter, selbst durch die Heranwachsenden durchgeführt werden.

Erinnert man sich an die Zahlen von oben, wird einem flau im Magen, so geht es mir auch! Doch Mr. Nakka hat uns aufgezeit, ja, es passiert etwas, Gesetzte die Kinder schützen und unterstützen! Genau das möchte ich euch jetzt ein wenig genauer erklären!

Bei dem JJ Act (Juvenile Justice Act 2015) muss man erstmal unterscheiden zwischen „Children in need of Care&Protection (CNCP)“ und „Children in conflict with law (CCL)“. Das heißt, bei ersterem geht es darum, dem Kind innerhalb von 24 Stunden Sicherheit in jeglicher Form zu geben, zum Beispiel das Kind aus einer Familie oder Gemeinschaft zu nehmen, bei der es Verdacht bzw. Beweis für Gewalt am Kind gibt. Letzteres wiederum geht darum Kinder zu unterstützen, die wegen einer Gewalttat oder Verdächtigung mit dem Gesetzt in Konflikt geraten sind, aber noch unter 18 Jahre sind. Doch welche Vergehen werden bei CNCP überhaupt gemeint, beziehungsweise, was fällt alles darunter? Man spricht immer schnell generell von Missbrauch, doch wird das ganze erstmal deutlicher, wenn man genau schaut, was eigentlich alles darunter fällt! Und so kommen wir zum POCSO Act (Protection of Children from Sexual Offences Act). Dieser listet folgende Straftaten auf: sexueller Missbrauch, sexuelle Belästigung, Benutzung von Kindern für pornografische Nutzen und Beihilfe beziehungsweise Anstiftung oben genannter Taten:

Sexueller Missbrauch wird unterteilt in penetrierten, sexuellen Missbrauch und nicht penetrierter sexuellen Missbrauch, weiterhin wird unter diesen beiden Rubriken unterschieden zwischen sehr schwerer Körperverletzung bzw. schweren sexuellen Missbrauch (mit Waffen, Inkaufnahme des Todes, Morddrohung an Familie ect.) und Körperverletzung bzw. Missbrauch.

Es gibt sechs verschiedene Rubriken der sexuelle Belästigung: Äußerungen, Aus- bzw. Darstellung, zeigen eines Gegenstandes für pornografische Zwecke, konstantes Beschatten, alleine die Drohung bzw. Erpressung ggf. belästigendes Material in irgendeiner Form zu publizieren, das Verleiten und Anlocken von Kindern für pornografische Zwecke.

Bei Kindermissbrauch für pornografische Zwecke unterscheidet man unter den Straftaten, des aktiven Zulassens bzw. Mitwirken von pornografischen Aufnahmen und dem „Lagern“ also Besitz von Material.

Nachdem jetzt hoffentlich gut klar geworden ist, unter welchen Straftaten man unterscheidet, kommen wir nun zu den wichtigsten Maßnahmen die im POSCO Act. inkludiert sind:

– Die Meldung beim Wissen von einer POSCO Straftat ist für jeden verpflichtend

– Der Verdächtigte ist im schuldigen psychischen Tat Zustand, d.h. der Verdächtige wusste was er tat und seine Tat ist „tadelswert“ (im Gegensatz, dass man davon ausgeht, dass die Tat aus dem Affekt oder einer psychischen Krankheit ausgeführt wurde)

– Ein Kind kann jeder Zeit frei eine Beschwerde, Beschuldigung oder Verdächtigung gegenüber einer Person machen und ohne Konsequenzen davon gehen

– jeder Erwachsene der eine falsche Beschwerde, Beschuldigung oder Verdächtigung gegenüber einem Kind macht, haften dafür.

Es wird also klar eine Position eingenommen: Wir stehen zu den Schwächeren, geben den Kindern eher den „benefit of the doubt“ und geben Ihnen eine starke Position sich zu melden und Hilfe zu erhalten und insbesondere ernst genommen zu werden!

Dafür gibt es auch folgende Sicherheitseinrichtungen die jeweils im lokalen Distrikt bzw. nationalen Sektor bereitgestellt sind:

– die DCPU (district child protection unit)

– die Special Juvenile Protection Unit (SJPU)

– Child Protection Welfare Offices (CPWO)

– die Childline

Ich möchte jetzt genauer auf die „childline“ eingehen: Wie sich manch einer vielleicht schon vorstellen kann, ist childline eine 24 Stunden hotline, bei der man sowohl anonyme Tipps geben kann (z.b. einer POSCO Straftat) als auch selbst um Hilfe bitten kann. Man kann als Tippgeber aber auch seine Nummer hinterlegen lassen, um für weitere Fragen zur Verfügung zu stehen (logischerweise nicht anonym dann). childline Beauftragte müssen JEDEM Tipp nachgehen und Protokoll führen. Kinder können sich jedoch auch selber melden und werden (wenn sie möchten) innerhalb kürzester Zeit aus der Community geholt und in eine sichere Einrichtung gebracht. Leider melden sich Opfer viel zu wenig, kennen diese Möglichkeit nicht, oder trauen sich nicht aus großer Angst, was logisch ist, wenn die ganze Familie drinhängt. Denn leidet das Opfer meist am meisten, wenn es sich meldet. Geht man von dem Fall aus, ein Kind meldet sich, wird aus der Community rausgenommen, leidet im gerichtlichen Prozess unter dem Druck der Familie und dem Umfeld (Täter aus direktem Umfeld), gewinnt ggf. den Prozess, ist dann aber die/der Schuldige für die Verurteilung eines Mitgliedes aus der Gruppe und ist das schwarze Schaf der Community. Für mich fühlt sich das an, wie eine Entscheidung zwischen Gerechtigkeit und Recht und Familie/Umwelt.

Trotzdem sollte man sich auf den Erfolgsfälle konzentrieren, damit auf lange Sicht vielleicht mehr Mut haben sich zu melden. Hier eine wahre Begebenheit, die uns erzählt wurde:

Es wurde ein Tipp gegeben, dass eine Kinderheirat in einem Dorf stattfinden soll, ein Name von einem Mädchen und ein Datum wird genannt. Die childline Beauftragten gehen in das Dorf und erkundigen sich nach dem Mädchen mit dem Namen, sie möchten einen Preis für ihre außerordentlichen Schulleistungen überbringen (somit finden sie den Nachname des Mädchens heraus (Haus der Familie, erste Verifizierung), später gehen sie zu der Kirche, wollen scheinbar ebenfalls einen Heiratstermin für das genannte Datum haben, die Kirche ist aber an jenem Tag belegt. Sie sagen, dass die Eltern des künftigen Bräutigams nur diesen Fall akzeptieren, wenn sie ein Foto des Kirchenkalenders mit eingetragenen vergeben Datum haben. Somit wird ein Foto des Kalenders gemacht, in dem ebenfalls der Name des Mädchens notiert ist (Beweis 1). Danach gehen die Beauftragten zur Schule des Mädchens (oben bereits genannt, außerordentliche schulischen Leistungen), dort weihen sie die Schulleiterin in ihre Untersuchungen ein und zeigen die ersten Beweise auf und machen auf die Meldepflicht aufmerksam. Die Schulleiterin gibt Alter und Klasse des Mädchens heraus (Beweis 2,3 Minderjährigkeit und Übereinstimmung der Identität). Letztes gehen die childline Mitarbeiter zum Haus des Mädchens konfrontieren die Familie, die Familie flippt aus, droht mit Polizei, die dann auch an den Hörer geholt wird, die childline Mitarbeiter haben Beweise, ihnen droht nichts, deshalb haben sie nichts dagegen. Die childline Mitarbeiter wollen die Tochter in Sicherheit mitnehmen, der Vater möchte das natürlich nicht, der Hörer wird an childline weitergegeben, sie erklären die Beweise, schicken diese und ihre childline Identitätsausweise per Whatsapp an die Polizeibehörde und warten. Der Polizist wieder mit dem Vater am Hörer: „Entweder sie lassen ihre Tochter mit den Mitarbeitern mitgehen, oder wir kommen gleich persönlich vorbei“. Letztendlich kommt das Mädchen mit in eine sichere Unterkunft. Sie wird später wieder in die Familie gebracht, doch müssen sich ihre Eltern alle zwei Wochen bei der lokalen Behörde melden und eine Schulbescheinigung vorbeibringen, bis sie 18 Jahre alt ist. Außerdem wird immer wieder ihr häuslicher Zustand mit einem Besuch abgecheckt. Eine Kinderheirat ist somit potentiell zu verhindern.

Wie man sieht ist es möglich, nur ist es eine unglaublich langwierige Angelegenheit, Kinder sicher, aber auch konstruktiv wieder in ihre Familien zu integrieren. Meist liegt das größere Problem aber daran des grundsätzlichen Meldens und dem Druck. Die Basis mit den Gesetzten ist gelegt. Jetzt sollten wir alle an die Umsetzung glauben und an den Wandel der gesellschaftlichen Sicht bezüglich Missbrauchsfällen.

Ich wollte auf dieses Thema einfach mal aufmerksam machen, weder urteilen noch beschönigen oder problematisieren, ich bin keine Juristin, ich berichte im besten Gewissen und Wissen, bitte im Hinterkopf waren!

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